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1)                 Kindeswohl unter Bedingungen des Jugendamtes als Eingriffs- und Leistungsbehörde

Die Arbeitsbedingungen des Sozialarbeiters sind grundsätzlich durch die Tatsache vorstrukturiert, dass sie in die staatliche Verwaltung eingebettet sind. 1994 verfasste Friedrich Ortmann unter dem Titel „Öffentliche Verwaltung und Sozialarbeit“ ein Lehrbuch, das die Arbeitsweise der Sozialarbeiter unter den Bedingungen der Verwaltungsstrukturen des Jugendamtes darstellt und analysiert. Für Ortmann steht dabei die Doppelstruktur der sozialarbeiterischen Tätigkeit im Vordergrund: Zum einen und in der Hauptsache findet die Arbeit als die in einer Leistungsbehörde statt, die sich an den Nöten der Klientel orientiert. Zum anderen aber ist das Jugendamt mit seinen Sozialarbeitern zugleich, aufgrund der verwaltungshistorischen Ursprünge, als Eingriffsbehörde strukturiert. Letzteres ist auch immer ein Ausdruck von Herrschaft, den der Sozialarbeiter jederzeit bei seiner Arbeit mit der Klientel mittransportiert. Ortmann fragt sich nun, ob eine „derart organisierte (ambivalente, T.L.) Sozialarbeit ihre fürsorgerischen und helfenden Aufgaben optimal zu lösen in der Lage ist.“[1] Obwohl Ortmann nicht ausdrücklich den Begriff Kindeswohl verwendet, ermöglicht seine Fragestellung doch, die Bedingungen für Kindeswohl, wie sie durch den Verwaltungsakt bestimmt sind, zu erörtern.

Die Auseinandersetzung mit dem Spannungsverhältnis, welches sich aus der Doppelstruktur der Sozialarbeit im Jugendamt ergibt, ist nach Ortmann für den dort tätigen Sozialarbeiter unter Kenntnis der Strukturen und Verfahrensweisen herkömmlicher Verwaltungen notwendig, damit er Rechenschaft über die Wirksamkeit seines Handelns ablegen kann.[2] Der Sozialarbeiter muss sich im Klaren sein, wie und an welchen Stellen sozialer Gefüge er durch seine Arbeit einwirken kann, und er darf das Herrschaftsgefälle und die Wirkung staatlicher, bürokratischer Verfügungen auf private, familiale Bindungen nicht außer acht lassen.

Genau an dieser Spannung entsteht auch das zentrale Dilemma des Begriffs Kindeswohl. Es wird nämlich im Spannungsfeld von Hilfe und Eingriff als Argument gleich doppelt auf den Plan gerufen. Die Sozialarbeiter setzen den Begriff gleichermaßen zur Begründung einer Bewilligung geforderter oder angebotener Sozialleistungen als auch zur Eingriffslegitimierung ein.[3] Das bedeutet, das Kindeswohl ist gleichermaßen Begründung für die Gewährung von familienerhaltenden Maßnahmen und kann ebenso für trennende Eingriffe in die Familie die entscheidende Legitimationsgrundlage bieten.

Was immer auch der Sozialarbeiter macht, er muss seine verwaltungsrelevanten Arbeitsbedingungen und Machtverhältnisse angemessen reflektieren; sonst kann seine Absicht, dem Kindeswohl entsprechend zu handeln – aufgrund schwieriger Konfliktsituationen mit den Eltern – ins Gegenteil umschlagen. So muss er beispielsweise mit Misstrauen der Eltern rechnen, das allein schon aus dem Machtgefälle zwischen Behörde und Privatpersonen erwächst, welches sich als scheinbar inhaltliches, tatsächlich aber formal gelagertes Hindernis für die Durchführung seiner fachlich begründeten Ziele herausstellt. So muss er nicht nur in Betracht ziehen, dass ihm Misstrauen nicht nur deshalb von den Eltern entgegengebracht wird, weil diese zum Beispiel Misshandlungen an ihren Kindern, die einen Eingriff in das Sorgerecht rechtfertigen würden, dem Amt verschweigen wollen. Sondern ein Misslingen der Zusammenarbeit mit den Eltern kann auch seinen Grund in schlechten Erfahrungen derselben mit den Ämtern haben oder ist auf ein generelles Misstrauen der Eltern zurückzuführen, das aus dem Machtgefälle zwischen Bürger und Behörde erwächst. In diesem Fall würde der Kontaktabbruch der Eltern keinen Eingriff ins Sorgerecht legitimieren. So muss der Sozialarbeiter vor allem den möglichen Umschlag von der hilfegewährenden Leistungsbehörde zur kontrollierenden und bedrohenden Eingriffsbehörde in seiner Bedeutung und Wirkung auf seine Arbeit in Betracht ziehen und seine Urteile über die Familien dahingehend überprüfen.[4]

Der Sozialarbeiter sollte seine Arbeitsbedingungen in der Verwaltung nicht als eine mehr oder minder schlechte und die Arbeit behindernde Realität betrachten, welche die theoretisch entwickelten Kriterien und Ansprüche an das Kindeswohl lediglich einengen und beschränken oder ihnen zuwider laufen.[5] Vielmehr, könnte das oben beschriebene Dilemma überwunden werden, wenn die Arbeitsbedingungen mit in die Wahrnehmung und Reflexion der Fallbearbeitung selbst aufgenommen werden und so unter Umständen einer adäquateren Realisierung von Kindeswohl dienen.

Grenzen für das Tätigwerden von Sozialarbeitern im Jugendamt durch sogenannte Impulsfilter

So wie die Verwaltung organisiert ist, ist es ihr eigentümlich, dass sie erst dann aktiv werden kann, wenn konkrete auslösende Impulse vorliegen. Bezogen auf das Jugendamt kann das entweder die Anzeige einer Gefährdung eines Kindes von dritter Seite wie Nachbarn, Verwandte, Lehrer, Erzieher sein oder das freiwillige Hilfeersuchen von Eltern oder der Kinder und Jugendlichen selbst. Alle anderen möglichen Impulse, die zwischen Anzeigen Dritter – häufig sind das strafrechtlich relevante Tatbestände – und freiwilligen Hilfeersuchen angesiedelt liegen – welche ein Problembewusstsein und ein Veränderungsbegehren bei den Klienten voraussetzen – müssen unberücksichtigt bleiben. So werden zum Beispiel Hilferufe von Kindern häufig als solche von ihrem Umfeld nicht erkannt. Hier wird deutlich, dass das Jugendamt nicht immer in Aktion treten kann, auch wenn es aus der Perspektive des Kindes erforderlich wäre, das staatliche Wächteramt wahrzunehmen.

Wie begrenzt die Handlungsmöglichkeiten des Jugendamtes sind, wird auch an einem anderen Umstand deutlich. Es gibt Eltern, die zwar ein Problembewusstsein haben, aber einfach aus Angst, ihre Kinder zu verlieren, keine Hilfe vom Staat annehmen wollen. Sie versuchen die durch sie selbst verübten seelischen und körperlichen Misshandlungen an ihren Kindern zu verbergen und zu verschleiern. Dieser von den Sozialarbeitern allseits beklagte Umstand ist erklärbar durch die Funktionsweise der Verwaltung, die aufgrund solcher Impulse nicht nur sozialpädagogisch helfend reagieren kann, sondern unter Umständen mit allen folgenreichen juristischen Konsequenzen reagieren muss.[6] In der Literatur finden sich auf unterschiedlichen Gebieten Hinweise[7] dafür, dass es im Einzelfall jedoch unter bestimmten Umständen aus sozialpädagogischer Sicht für die Jugendbehörde angebracht sein kann, Gefährdungen von Kindern nicht sofort zu verfolgen – beispielweise damit die Familie subsidiär eigene Lösungswege findet. Die Notwendigkeiten der Verwaltung stehen somit möglicherweise im Widerspruch zu sozialpädagogischen Handlungsmaximen. Das ist eine Zwickmühle, die vom einzelnen Sozialarbeiter zwar nicht aufgelöst werden kann, aber immer mitbearbeitet werden muss.

Der Sozialarbeiter kann den Ängsten und dem Misstrauen der Klienten, die deshalb behördliche Hilfe nicht in Anspruch nehmen wollen, lediglich durch seine sozialpädagogische Beratungs- und Gesprächskompetenz entgegenwirken. Er muss Vertrauen schaffen, wo einzig Misstrauen angebracht scheint. Da er seine Kompetenz erst dann einsetzen kann, wenn er mit der Familie in Kontakt kommt, kann seine Arbeit in Fällen von Konflikten mit den Eltern über das Kindeswohl grundsätzlich nicht als präventiv angesehen werden, sondern als eine reagierende Tätigkeit.[8]

Ortmann außerdem stellt fest, dass der Sozialarbeiter nur auf Grundlage von Gesetzen handeln kann.[9] So ist es durchaus vorstellbar, dass aktuelle oder zukünftige Ergebnisse aus Diskussionen zum Kindeswohl solange in der Jugendamtsarbeit keinen Niederschlag finden, wie der Gesetzgeber keine rechtlichen Vorgaben formuliert hat.

Strukturen von Verwaltungskommunikation

Eine weitere Bedingung für die Realisierung von Kindeswohl ist die Kommunikation innerhalb der Verwaltung. Durch verwaltungsimmanente Regeln unterscheidet sie sich deutlich von alltäglicher Kommunikation. Die Informationen werden in der vertikalen, hierarchischen Ebene sowie horizontal unter den Mitarbeitern in sachdienlicher Weise, das heißt immer schon auf bestimmte Gesetze bezogen, größtenteils schriftlich vermittelt und interpretiert. Die, wie es Ortmann formuliert, „Grenzstellen zum Publikum“[10] sind in der Regel in den unteren Hierarchiebereichen angesiedelt. Diese sind von höheren, politisch legitimierten Ebenen abhängig. Müssen die schriftlichen Informationen viele Hierarchiestufen überwinden, ist mit einem stufenweisen Verlust von Einzelheiten zu rechnen, da die Entscheidungsträger aus Effektivitätsgründen in der Regel nur eine Auswahl sachdienlicher Information von den Sozialarbeitern erhalten. Das kann dazu führen, dass Entscheidungen aufgrund unzureichender oder gar falscher Informationen gefällt werden.

Zusätzlich sind die Kommunikationspartner, die in der Behörde aufeinandertreffen, nicht nur durch unterschiedliche Erfahrung geprägt, sondern ihre Problemwahr­nehmung ist auch durch unterschiedliche Ausbildungen bestimmt.[11] So kann eine Mitteilung durch eine andere fachliche Vorbildung des Empfängers in einer anderen Weise verstanden und bewertet werden, als sie vom Mitteilenden beabsichtigt ist.[12] Daraus entsteht unter den Mitarbeitern die trügerische Hoffnung, den schwierigen Kommunikationsbedingungen im Amt mit Hilfe von Vermittlung der Fallinformationen allein in sachdienlicher Weise begegnen zu können, also in Form einer Pro­blematisierung des Falles ausschließlich unter juristischen Gesichtspunkten. Dabei wird nicht wahrgenommen, dass diese Form von Selbstbeschränkung gleichzeitig auch eine Reduzierung der Lösungsmöglichkeiten für den Fall bedeuten kann. Der Verdacht liegt nahe, dass das Kindeswohl dadurch eher unter juristischen Prämissen hergestellt wird, und sozialpädagogische Lösungen zu wenig in den Blick kommen.[13]

Grundsätzlich können unterschiedliche Perspektiven ein und derselben Problemlage eine Bereicherung für deren Wahrnehmung und Konfliktlösung sein. Aber gerade bei scheinbar so allgemeinverständlichen, alltagsgebräuchlichen und theoretisch wenig gefassten Begriffen[14] wie dem Kindeswohl lauert in der verwaltungsbedingten Informationsvermittlung und dem Versuch, die damit verbundenen Schwierigkeiten zu umgehen, eine Falle. Jeder meint, über das gleiche Thema zu reden, in Wirklichkeit reden alle über etwas vollkommen verschiedenes, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Entscheidungs- und Ermessensspielraum im sozialarbeiterischen Handeln

Von Sozialarbeitern wird täglich erwartet, Entscheidungen beispielsweise hinsichtlich der Bewilligung von Hilfen zu treffen. Nach Ortmann kann von Entscheidung innerhalb der Behörde aber erst die Rede sein, wenn die festen „Wenn Tatbestand a-, dann tue b- Regeln“ gelockert sind. Dies ist der Fall, wenn den Mitarbeitern ein Ermessensspielraum eingeräumt wird, beziehungsweise wenn sie innerhalb „unbestimmter Rechtsbegriffe“ handeln können. Das KJHG bezeichnet das Kindeswohl als einen solchen „unbestimmten Rechtsbegriff“.[15] Unbestimmte Rechtsbegriffe sind Interpretationsfreiräume, die der Gesetzgeber offen lässt und die aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit[16] einer fachlichen Auslegung durch Vorschriften der ausführenden Verwaltungsbehörde bedürfen oder durch Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes konkretisiert werden. Somit sind sie normalerweise nicht der Willkür der Mitarbeiter preisgegeben. Für den unbestimmten Rechtsbegriff Kindeswohl, konnten bei Berliner Jugendämtern allerdings keine ausgesprochenen Vorschriften ermittelt werden.[17] Lediglich in einigen wenigen Fortbildungsveranstaltungen soll der Begriff erörtert worden sein.[18] Daraus könnte geschlossen werden, dass eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Begriff Kindeswohl für die Sozialarbeit eher eine Kür als eine Pflicht darstellt.

Die Mitarbeiter im Amt sind also bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs Kindeswohl allein auf die Ausführungen des KJHGs angewiesen. Dort findet sich der Begriff im zweiten Teil (Andere Aufgaben der Jugendhilfe), der sich mit den staatlichen Eingriffsbedingungen befasst, zum Beispiel im Zusammenhang der Mitwirkung des Jugendamtes bei vormundschaftsgerichtlichen Verfahren (§50 KJHG).[19] Das bedeutet: Der Begriff Kindeswohl spielt im Gesetz und somit auch in der Arbeit der Sozialarbeiter erst dann eine Rolle, wenn das praktische Kindeswohl in massiver Weise beeinträchtigt oder beschädigt ist. Die Mitarbeiter nehmen also hauptsächlich jene Kindeswohl-Tatbestände in den Familien wahr, welche das Kind gefährden. Das Kindeswohl erscheint im Bewusstsein der Sozialarbeiter nahezu ausschließlich unter dem Aspekt seiner Gefährdung. Der Mitarbeiter sieht sich, sobald es ums Kindeswohl geht, in einer Verteidigerposition. Eine positive Bearbeitung des Begriffs wird dadurch sehr erschwert.

Zweckprogrammierung und handlungsleitende Ziele

An seinem Beispiel von offener Jugendarbeit entwickelt Ortmann, dass die inhaltliche Arbeit des Sozialarbeiters mit den Klienten (zum Beispiel bis auf Regelungen der Bewirtschaftung) nicht in Verwaltungsvorschriften festgehalten ist.[20] Dies soll auch so sein, da der Sozialarbeiter in der konkreten und unvorhersehbaren Situation handlungsfähig bleiben muss. Von daher ist seine Arbeit nicht auf allen Gebieten standardisierbar. Für den Sozialarbeiter im Jugendamt gilt dies ebenfalls für den Bereich, in dem er mit seiner Klientel kontaktet. Für personenbezogene Dienstleistungen muss die Leistungsverwaltung auf Personal mit selbständiger Kompetenz zurückgreifen, um die Aufgaben erfüllen zu können.[21]

Typisch für die personenbezogene Dienstleistung ist, dass Leistungsempfänger und Leistungserbringer zusammentreffen und an dem gemeinsamen Leistungsvorgang mitwirken müssen. Diese Beziehung basiert in der Regel auf persönlichem Vertrauen, welches rechtliche und verfahrensmäßige Offenheit im Verlauf und Ergebnis zur Voraussetzung hat. So ist nach Ortmann die personenbezogene Dienstleistung, und als solche ist die Arbeit des Sozialarbeiters im Jugendamt zu verstehen, nicht streng rational programmierbar, sondern lediglich zweckprogrammierbar. Es wird hierbei also keine zwingende Wenn-dann-Folge vorgegeben, sondern es werden handlungsleitende Ziele festgelegt und operationalisiert. Der Sozialarbeiter kann dann seinerseits zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen, diese Ziele zu erreichen. Im Bereich der Hilfengewährung sollte das Verfahren also zumindest aus Gründen der angemessenen Leistungserbringung zweckprogrammiert sein.

Ortmann stellt allerdings fest, dass in der Arbeit mit Jugendlichen und Kindern (seinem Beispiel der offenen Jugendarbeit entsprechend) Ziele wie „Integration Jugendlicher“ oder Kompensation von Sozialisationsdefiziten von zu hohem Allgemeinheitsgrad wären, als dass sie handlungsleitend wirken könnten.[22] „Vielmehr müssen die Ziele der offenen Jugendarbeit – und das gilt in entsprechender Weise für viele andere Bereiche der sozialen Arbeit ­– situationsspezifisch konkretisiert werden, um im Rahmen eines Zweckprogramms handlungsleitend wirksam werden zu können. Anders formuliert: Die Behörde bedarf in den Fällen, in denen sie so­zial­arbeiterische personenbezogene Dienstleistungen erbringen will, bereits für die Zweckprogrammierung die Hilfe der professionellen sozialwissenschaftlichen Kompetenz von den (verwaltungsangehörigen) Sozialarbeitern, um die Ziele hinreichend fundiert formulieren zu können. Sozialarbeit als personenbezogene Dienstleistung kann also nicht allein ausführende Tätigkeit sein, sondern sie muss zugleich auch bei der Zielfixierung im Rahmen der Zweckprogrammierung mitwirken.“[23] Neben der Praxis sollen die Sozialarbeiter auch den theoretischen Rahmen der Verwaltungsziele inhaltlich absichern.

In der Literatur gibt es jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs Kindeswohl oder die nach Ortmann notwendige Konkretisierung der sozialen Arbeit im Sinne einer Zweckprogrammierung durch die Sozialarbeiter im Jugendamt stattfindet. Gründe könnten einmal Probleme mit dem zeitlichen Budget sein. Die öffentliche Hand versucht, ihre Finanzen zu sanieren; überall werden Stellen eingespart. Viele Sozialarbeiter werden sich darauf konzentrieren, vor allem ihre „Fälle“ abzuarbeiten. Außerdem könnte es in den Ämtern eher eine praktische Orientierung der Mitarbeiter geben, die theoretische Auseinandersetzungen in den Hintergrund drängt.

Professionelles Handeln in der Verwaltung und Wahrnehmung des Falles

„Der Sozialpädagoge muß (...), um sinnvoll handeln zu können, die Probleme des Einzelfalls bzw. der einzelnen Situation, die jeweils in ihrer spezifischen Art einmalig ist, verstehen, um situationsangemessen handeln zu können. Darüber hinaus muss der Sozialpädagoge dann seine professionellen Kenntnisse der Theorie der Jugendarbeit auf die besonderen Bedingungen des Einzelfalls anwenden. In dieser spezifischen Tätigkeit entsteht (...) eine Verknüpfung von Fall- beziehungsweise Situationsverstehen und Theorieverstehen und -anwenden.“[24]

Ortmann nimmt also an, dass das Fallverstehen nicht nur das Erkennen dessen, was der Einzelfall ausmacht bedeutet, sondern ein Verstehen der sozialen Einheit, auf die sich die Sozialarbeit als handelnde richtet. Die Möglichkeit, in einer solchen Situation helfend zu reagieren, erhält der Professionelle im Idealfall regelmäßig durch sein Theorieverstehen.[25]

Von Popper entlehnt Ortmann andererseits, dass die Erkenntnis, was die Realität beziehungsweise was der Fall ist, abhängig ist von den theoretischen Vorstellungen desjenigen, der die Realität wahrnimmt. Ortmann vergleicht infolge dessen zwei verschiedene Theorieansätze[26], wobei er sogleich die empirisch-analytische Theorieauffassung für die Sozialarbeit als ungeeignet verwirft. Erstens ist soziale Arbeit dafür nicht ausreichend operationalisierbar, zweitens sind die statistischen Gesetzmäßigkeiten, mit denen die Theorie arbeitet, nicht strikt auf den Einzelfall beziehbar und vor allem drittens erfolgt die Steuerung der Prozesse durch diese Theorie ohne Einbeziehung der Betroffenen und wirkt von daher manipulierend auf dieselben ein, was nicht nur berufsethischen Grundsätzen zuwider läuft, sondern von den Betroffenen häufig auch bemerkt und mit Verweigerung quittiert wird.

Ein kritisch-hermeneutischer Theorieansatz hingegen eignet sich nach Ortmann, wobei er vor allem die Psychoanalyse zu Grunde legt, sehr für das Fallverstehen. Ohne seine kurzen Ausführungen der Wirkungsweise der Psychoanalyse[27] nochmals verkürzt darzustellen, sollen doch seine Ergebnisse für die Sozialarbeit zusammengefasst werden.

Eine Veränderung im Handeln und im Verhalten der Betroffenen[28] wird in der Psychoanalyse durch einen Bewusstwerdungsprozess bei diesen erreicht. Der Sozialarbeiter kann nach seinen theoretischen Kenntnissen über die Zusammenhänge mit seiner Klientel einen Bewusstwerdungsprozess dieser Art anleiten, so dass die angebotenen Lösungsmuster für die Betroffenen annehmbar werden können. „(...) hier erhält die Theorie ihre ,Wahrheit‘ genau in diesem Prozess der Auseinandersetzung zwischen Sozialarbeiter und Klient beziehungsweise Jugendlichen (...)“[29] und nur über diesen Weg können die Hilfeangebote effektiv wirksam werden. Hier resümiert Ortmann für die Wahrnehmung der Realität, „dass unterschiedliches Theorieverständnis auch die Welt in einem unterschiedlichen Licht erscheinen lässt: Sie stellt sich dem Beobachter nämlich unterschiedlich dar, je nachdem, ob er in ihr nach Gesetzmäßigkeiten sucht, die er für die technologisch-steuernde Veränderung nutzen kann, oder ob er versucht, Verständigung zwischen sich als Sozialarbeiter und seinem Klientel herbeizuführen mit dem Ziel, bei diesem Klientel Bewusstwerdungsprozesse, die ein verändertes Handeln ermöglichen können, zu unterstützen und zu initiieren.“[30]

Für den Begriff Kindeswohl ist die unterschiedliche theoretische Perspektive beziehungsweise die unterschiedliche Wahrnehmung nicht unerheblich. Abgesehen von der notwendigen Mitarbeit der Klienten beziehungsweise der Eltern werden die Theorieansätze auch unterschiedliche Arbeitsergebnisse hervorbringen, welche zur Grundlage der Entscheidungen gemacht werden. Wird die Zusammenarbeit vernachlässigt, sei es, dass den Eltern ein Verständnis der Problematik nicht zugetraut wird oder ein allgemeines Misstrauen vorliegt, so ist abzusehen, dass Sozialarbeiter und Eltern bald gegeneinander arbeiten.

Ortmann räumt ein, dass das Theorieverständnis nicht immer in der geforderten Differenziertheit handlungsleitende Impulse bieten kann. So führt er das Alltagswissen und ‑erfahrung ein, welche die Lücke im professionellen Handeln schließen können.[31] Diese sind nach Ortmann durch die Ausbildung der Sozialarbeiter mit „wissenschaftlichem Wissen“[32] durchsetzt und bedeuten von daher keine willkürliche Ergänzung des professionellen Handelns.

Auch in den beiden von Ortmann gewählten Varianten des Fallverstehens spiegelt sich das Dilemma der Sozialarbeiter im Jugendamt wider: Der empirisch-analytische Theorieansatz entspricht den Anforderungen an korrekte Verwaltungsakte, wird aber nicht den vielfältigen Lebensumständen der Klienten gerecht. Der hermeneutische Ansatz verbessert zwar das Fallverstehen, scheitert aber an der verwaltungstechnisch notwendigen Rationalisierbarkeit. Hinzu kommt, dass auch letzterer nicht immer vollkommen für das Fallverstehen ausreicht, und der Sozialarbeiter auf sein Alltagswissen und seine Erfahrungen zurückgreifen muss. Daraus ergeben sich für die Realisierung von Kindeswohl zweierlei Abhängigkeiten: erstens von dem theoretischen Hintergrund des Sozialarbeiters und zweitens von seinen individuellen Erfahrungen und seinem Alltagswissen.

Die besondere Sensibilität des Datenschutzes bei der Ausübung des staatlichen Wächteramtes

Da die Sozialarbeit im Jugendamt sowohl beratend Hilfe leistet, als auch verpflichtet ist das Wächteramt auszuüben, müssen an den Datenschutz besondere Maßstäbe angelegt werden. Die speziellen Probleme, die der Datenschutz in der Jugendamtsarbeit bereitet, sind im KJHG berücksichtigt und geregelt.

Münder u.a. sehen in ihrem Gesetzeskommentar den Sinn des § 65 KJHG in der Berücksichtigung der besonderen Sensibilität von Jugendhilfedaten, welche zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind. „Der Gesetzgeber will damit ‚sicherstellen, daß Erkenntnisse aus der Beratungstätigkeit nicht bei der sonstigen Aufgabenerfüllung der Jugendämter verwertet und möglicherweise gegen die Beratenden verwendet werden‘ (Bundesbeauftragter für den Datenschutz 1989,63).“[33] Es müssen nicht nur solche Informationen aus Beratungsgesprächen vertraulich behandelt werden, welche ausdrücklich unter dem Siegel der Verschwiegenheit gegeben werden, „sondern auch die, die der Beratungsperson allein deshalb bekannt werden, weil die persönlich vertrauliche Beratungssituation besteht.“[34] „Zielt der Arbeitskontakt des Mitarbeiters mit dem Betroffenen eindeutig und für diesen erkennbar auf eine Informationsbeschaffung für andere Mitarbeiter (z.B. zum Zweck der Gewährung von Sach- und Geldleistungen), kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Daten anvertraut wurden.“[35]

Die sensible Handhabung des Datenschutzes ist für die sozialarbeiterische Tätigkeit notwendig, da sie entscheidend für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Sorgeberechtigten sein kann. Erst in der Zusammenarbeit kann der Sozialarbeiter die entscheidenden Informationen über die Probleme der Familie gewinnen, die es ihm ermöglichen, auch sein Wächteramt gewissenhaft auszuüben. So ist nach §65 Abs. 2 der Sozialarbeiter bei Anrufung des Gerichtes nur dann berechtigt personenbezogene Daten ohne Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat, mitzuteilen, wenn ohne diese Mitteilung angesichts der Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen eine für die Gewährung von Leistungen (zum Beispiel Fremdunterbringung) notwendige gerichtliche Entscheidung nicht ermöglicht werden könnte.[36] Es ist leicht vorauszusehen, dass eine Anwendung dieses Mitteilungsrechtes die Zusammenarbeit des Sozialarbeiters mit den Eltern in eine schwere Krise stürzen kann, welche eventuell für das Kind oder den Jugendlichen einen ersten Schritt zur Trennung von seiner Ursprungsfamilie bedeutet. Der Sozialarbeiter sollte sich darüber im Klaren sein, dass sein Entschluss, ohne Kenntnis der Beteiligten Recherchen durchzuführen, sowie diese oder von den Beteiligten selbst gesammelte Informationen ohne deren Kenntnis für gerichtliche Entscheidungen zur Verfügung zu stellen, einen schwerwiegenden Eingriff in die Familie bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit und Verantwortlichkeit für die Kinder bedeutet. Er muss damit rechnen, im Folgenden keine freiwillig gegebenen  Informationen mehr von der Familie zu erhalten. Mit einer solchen Entscheidung zum Alleingang muss an sich auch die fachliche Entscheidung auf Trennung der Kinder von ihren Eltern, als letzte Möglichkeit, die Gefährdung des „Kindeswohls“ abzuwenden, bereits getroffen worden sein, beziehungsweise sie kommt einer entsprechenden fachlichen Entscheidung gleich.

An eine solche fachliche Entscheidung sind strenge Kriterien gekoppelt. Der Sozialarbeiter muss sich sicher sein, dass seine Möglichkeiten an Hilfen (insbesondere die Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27 ff KJHG) nicht mehr eine dem Wohl des Kindes gemäße Erziehung gewährleisten. Er muss sich sicher sein, dass das Kindeswohl nur noch durch einen Eingriff des Vormundschaftsgerichtes (Sorgerechtsentzug oder Einschränkung für eine Fremdunterbringung) gewährleistet werden kann. Er hat vor der Anrufung des Gerichtes zu prüfen, ob alle folgenden vier Tatbestandvoraussetzungen erfüllt sind: „1. Die Gefährdung des geistigen, körperlichen oder seelischen Kindeswohls muss konkret erkennbar sein oder unmittelbar bevorstehen; 2. ursächlich dafür muss ein aktiver Missbrauch des Personensorgerechts oder eine Vernachlässigung des Kindes oder ein unverschuldetes Versagen der Eltern sein; 3. Die Eltern müssen nicht gewillt oder in der Lage sein, die bestehende oder bevorstehende Gefährdung des Kindeswohls selbst abzuwenden und 4. müssen konkrete Maßnahmen geeignet oder notwendig und im Eingriff verhältnismäßig sein, um die Gefährdung abzuwenden.“[37] Während der Sozialarbeiter bei seiner Mitwirkung an Familiengerichten (Scheidungen mit Sorgerechtsregelungen) seine Zusammenarbeit mit den Eltern schützen kann, indem er auf eine Beurteilung der Familienbeziehungen vor Gericht verzichten kann und sollte, so muss er bei Gefährdung des „Kindeswohls“ für die Begründung seiner Anrufung des Gerichts eine wertende Aussage zum Missbrauch oder Vernachlässigung der Kinder durch oder insgesamt zum Versagen der Eltern abgeben.

Die Beurteilung von Daten und Informationen, ob eine schwere Gefährdung des „Kindeswohls“ (Tatbestand 1) vorliegt oder ob die Eltern das Kind „nur miserabel erziehen“[38], führt der Sozialarbeiter aufgrund seiner fachlichen sozialpädagogischen Kenntnisse durch. Diese fachlichen Kenntnisse sollten ihn in die Lage versetzen, einen vorhandenen Zusammenhang von Beeinträchtigung des „Kindeswohls“ und eines aktiven Sorgerechtsmissbrauchs beziehungsweise einer Vernachlässigung durch die Eltern ursächlich zu begründen (Tatbestand 2). Die Beurteilung, ob oder zu welchem Zeitpunkt die Eltern nicht oder nicht mehr gewillt sind, eine Gefährdung von ihrem Kind abzuwenden (Tatbestand 3), obliegt keiner besonderen Fachlichkeit; vielmehr zeigt sich diese Einstellung in der Regel in einem Abbruch des Kontaktes mit dem Sozialarbeiter.[39] Der Sozialarbeiter ist an dieser Stelle vor allem in seiner Fähigkeit gefordert, Kontakt mit der Familie zu erhalten, den Familienmitgliedern Zusammenhänge und Begründungen zu vermitteln und Hindernisse für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihnen aus dem Weg zu räumen.[40] Die Beurteilung der konkreten Maßnahmen, inwieweit sie geeignet und verhältnismäßig sind (Tatbestand 4), ist abhängig von den Kenntnissen des Sozialarbeiters auf dem Gebiet der verschiedenen Jugendhilfeeinrichtungen. Die sensible Handhabung des Datenschutzes ist für die Sozialarbeit also nicht nur eine Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten, sondern bildet erst die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern.

Konsequenzen für das Kindeswohl durch die Umstrukturierung des Jugendamtes

Die neuere Debatte, die Mitte der 90-er Jahre um die Umstrukturierung des Jugendamtes geführt wurde, und welche dessen Umbau zu einer effizienten Dienstleistungsbehörde erfordert, wirft ein neues Licht auf die Bedingungen für Kindeswohl.

 „Neue Steuerung“, „neue Fachlichkeit“, „Kundenorientiertheit“, „Produktorientiertheit“, „Output-Orientiertheit“, „Budgetierung“ und „Controlling“ sind die aus der modernen Betriebswirtschaft entlehnten Leit-Vokabeln für die  Umstrukturierung des Jugendamtes in eine effiziente und transparente Dienstleistungsbehörde seit Anfang der 90er Jahre. Die Debatte um die Umstrukturierung erhielt nicht zuletzt ihre Triebkraft aus dem Kontext politischer Finanzrestriktionen der kommunalen Haushalte mit entsprechenden Sparüberlegungen. Aber, so Merchel, dies allein wäre eine verkürzte und einseitige Sichtweise, da im internationalen Vergleich ein Modernisierungsrückstand der deutschen Kommunalverwaltungen festgestellt werden konnte.[41] Die Frage drängt sich auf, ob es gelungen ist, Modernisierung und Sparmaßnahmen in ein Verhältnis zueinander zu stellen, so dass die Aufgaben öffentlicher Verwaltungen in zufriedenstellender Weise erfüllt werden können und gleichermaßen den gestiegenen Ansprüchen, an der Einlösung fachlicher Standards und dem stärkeren Eingehen auf die Bedürfnisse der Adressaten entsprochen wird?

Merchel plädiert dafür, sich als Sozialarbeiter intensiv mit dem Modell der „Neuen Steuerung“ auseinander zu setzen, da sich auch die Jugendhilfe dem Anspruch, wirtschaftlich effektiv in Zielbezogenheit und Qualität und effizient im Einsatz der Ressourcen zu sein, stellen muss.[42] „Neue Steuerung“ verspricht, so Merchel, die Chance, in angemessener Weise den Adressaten, Hilfe zu leisten, was durchaus ein Weg sein kann, sich um das Kindeswohl zu bemühen.

Die „Neue Steuerung“, wie sie die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGST)[43] vorschlägt, sieht unter anderem vor, die Motivation, Mitwirkungsbereitschaft und das Bewusstsein von Verantwortung bei den Mitarbeitern in diesem Sinne zu fördern. Dies soll erreicht werden, indem zentrale und hierarchische Strukturen abgebaut werden, was insbesondere den Problemen der Kindeswohlrealisierung zugute kommen könnte, die sich aus den Schwierigkeiten der Verwaltungskommunikation ergeben (siehe oben Seite 18). Die dezentralen Organisationen vereinbaren sogenannte Kontrakte über die zu erreichenden Ziele, die als Instrumente der Mitarbeiterführung steuernd und motivierend wirken sollen. Die Kontrakte sind zugleich Grundlage für die Zuteilung eines Budgets, welches die Organisationen selbst verwalten und von daher flexibler und verantwortungsvoller einsetzen können. Hier findet also eine engere Verkopplung von fachlicher Entscheidungskompetenz und Verantwortung für Ressourcen statt.[44] Für die Tätigkeit des Sozialarbeiters bedeutet dies überspitzt gesagt, dass er seine fachliche Entscheidung in Beziehung zu seiner Verantwortung für das Budget seiner Dienststelle setzen muss.

Die Qualität der Hilfen soll in Zukunft an dem sogenannten „Output“ gemessen und bewertet werden. Outputorientierung bedeutet in der Jugendhilfe in erster Linie Kundenorientierung. Das heißt, die Hilfen werden nach der beim Kunden ankommenden Qualität bewertet und bewilligt. Die Hilfeträger stehen hierbei im Wettbewerb miteinander diese Qualität, je nach Spezialisierung, am kostengünstigsten anbieten zu können. Nach dem Modell der Outputorientierung bestände gute Sozialarbeit darin, aus den vielfältigen vergleichbaren Jugendhilfeangeboten die Variante zu ermitteln, die gleichzeitig am kostengünstigsten ist und dabei den Wünschen und Vorstellungen der Klienten am meisten entspricht. Sie ist in der Hauptsache einerseits darauf beschränkt, eine gründliche Kenntnis über die Hilfeangebote und ihre Effizienz für die Kunden zu besitzen; andererseits auf die fachliche Fähigkeit, zusammen mit den Kunden festzustellen, was ihr tatsächlicher Bedarf an Hilfe ist. Johannes Münder bezeichnet, den in dieser Weise tätigen Sozialarbeiter treffend als einen „Verbraucherschützer“ für den sozialen Bereich.[45]

Dass es sich bei der Sozialarbeit um mehr als um die Bedienung eines bestimmten Marktes handelt, lässt sich schon mit Hilfe der weiteren Ausführungen von Merchel darstellen. Analytisch gesehen kann, so Merchel, der Kundenbegriff nicht auf die Jugendhilfe übertragen werden, da die Adressaten der Jugendhilfe nicht gleichzusetzen sind mit souveränen Subjekten, welche über einen Markt ihre Bedürfnisse zu befriedigen suchen. Vielmehr hat die Jugendhilfe neben der Dienstleistungsfunktion auch einen gesellschaftlichen Normalisierungs- und Kompensationsauftrag. Nur zu einem bestimmten Anteil sind die Adressaten der Jugendhilfe als Kunden zu bezeichnen, nämlich dann, wenn sie sich von sich aus an die Institution wenden und ihre Wünsche formulieren. Zu einem großen Teil kommen die Hilfeleistungen jedoch nur durch fachliche und sozialpolitische Plausibilitätskontrollen[46] zustande und die sogenannten „Kunden“ müssen großenteils erst dazu bewegt werden, Angebote anzunehmen. In den meisten Fällen müssen sie ihre Bedürfnisse erst mit Hilfe der Sozialarbeiter formulieren. Kron-Klees weist darauf hin, dass sich die Adressaten gegenüber dem Jugendamt nicht nur in einer sogenannten „Komm-Struktur“ verhalten, also von sich aus sich hilfesuchend ans Jugendamt wenden, sondern sich auch sehr häufig und gerade in schwierigen Fällen in der sogenannten „Geh-Struktur“ verhalten und das Jugendamt von selbst aktiv werden muss.[47] Nicht zuletzt besteht für die Jugendhilfe der gesellschaftliche Auftrag des Schutzes der Kinder und Jugendlichen, welcher sich nicht mehr in Handlungen mit Dienstleistungscharakter umdefinieren lässt. Von daher ist der Kundenbegriff für die Jugendhilfe nur unzulänglich.[48]

Eine Bereicherung für die Jugendhilfe sieht Merchel aber im metaphorischen Gehalt des Begriffs „Kunde“. Er lenkt nämlich die fachliche Aufmerksamkeit auf die Bedeutung von Adressatenwünschen und die beim „Kunden“ ankommende Qualität einer Leistung. So hat er einen großen Irritationswert für die fachliche Diskussion und führt zur Überprüfung traditioneller sozialpädagogischer Denkmuster. Er konfrontiert professionelle Fachkräfte mit der Frage: „Glaube ich im Einzelfall besser zu wissen, was für den Adressaten gut ist, und wenn ja, mit welchem Recht will und darf ich meine Perspektive durchsetzen?“[49] Wenn diese Form der Kundenorientierung den allseits stark psychisch involvierten Begriff des Helfens[50] zumindest teilweise ablösen könnte, besteht die Chance, dass Sozialarbeiter davor bewahrt bleiben, sich zu sehr in einen von den Interessen der Familien abgekoppelten „Helferaktivismus“[51] hineinsteigern und die Eltern zu Maßnahmen zu überreden[52], die nicht angenommen oder gewürdigt werden oder gar zu einer offenen Ablehnung von Hilfen überhaupt führen können. Vielmehr „muß den Leistungsberechtigten gegenüber klargestellt werden, daß die Entscheidung über die Hilfe nicht in dem Beratungsgespräch unter den Fachkräften getroffen wird, sondern das zentrale Geschehen in dem Aushandlungsprozeß zwischen Fachkraft und Leistungsberechtigten zu sehen ist.“[53] Auf diese Weise wird ein Eingriff gegen den Willen der Familie fast undenkbar.

Zusammenfassung

Betrachtet werden sollten die Abhängigkeiten des „Kindeswohls“ unter den Bedingungen des Jugendamtes als Leistungs- und Eingriffsbehörde. Die zentrale Frage dabei ist: Kann das Jugendamt seinen helfenden und schützenden Aufgaben in Bezug auf das Kindeswohl optimal gerecht werden?

Der Begriff Kindeswohl ist bei Entscheidungen des Jugendamtes gleichermaßen legitimierend für Hilfen und Eingriffe. Dabei sind die Handlungsfelder des Amtes begrenzt, da es sich in einer Zwickmühle zwischen notwendigem Verwaltungshandeln und sozialpädagogisch motiviertem Handeln befindet. Auch kann das Jugendamt, so wie es strukturiert ist, bei der Bearbeitung seiner Fälle prinzipiell nicht präventiv tätig werden. Seine Arbeitsfelder finden zudem in gesetzlichen Vorgaben enge Grenzen. Hinsichtlich der konsequenten Wahrnehmung von Kindeswohlgefährdung ist das Jugendamt aus der Perspektive des Kindes kein zuverlässiges Instrument.

Die Kommunikation innerhalb der Verwaltung ist an vielen Stellen wenig geeignet, die Komplexität der Familienproblematiken ausreichend umfassend an die nächste Hierarchieebene weiterzugeben. Die dabei auftretenden Schwierigkeiten können nicht durch eine Reduzierung der Informationen in sachdienlicher, juristischer Weise erreicht werden. Die Umstrukturierungen des Jugendamtes in dezentrale Einheiten und der gleichzeitige Abbau von Hierarchieebenen versprechen ein Verminderung des Problems. Allerdings könnten die Kopplung von Fachkraft und Budgetverantwortlichen die Realisierung von Kindeswohl dahingehend beeinträchtigen, dass kostenintensive aber fachlich notwendige und erwünschte Hilfemaßnahmen gar nicht erst in Betracht gezogen werden.

Sozialarbeit ist eine Dienstleistung, die nicht einfach zweckrationalisierbar ist, da sie in der Begegnung mit den Klienten ein Vertrauen herstellen muss. Eine Konkretisierung von Kindeswohl, die handlungsanleitend wirken könnte, sollte von So­zialarbeitern erarbeitet werden. Eine solche Erarbeitung konnte nicht festgestellt werden,[54] sondern Kindeswohl tritt erst im Sinne von Kindeswohlgefährdung auf.

Für die Ergebnisse von Kindeswohlrealisierung ist es wichtig, welcher Theorie der Sozialarbeiter anhängt. Alltagswissen und –handeln sind unverzichtbar für Sozialarbeit. Ortmanns Ausführungen, dass unterschiedliche Theorieansätze bei den Sozialarbeitern zu unterschiedlichen Arbeitsergebnissen führen, werden auf Seite 51 entlang der Debatte zum §36 KJHG (Beteiligung am Hilfeplan) wieder aufgenommen. Hierbei sollen zweierlei Theorieansätze erörtert werden: Der eine wird von der Partei der „Diagnostiker“ vertreten und der andere von der der „Aushandlungsbefürworter“.

Der Datenschutz ist in der Sozialarbeit besonders gefährdet durch die doppelte Struktur der Sozialarbeit: einerseits vertrauliche Gespräch in der Beratung durchzuführen, andererseits Informationen für Entscheidungen zur Familiensituation zu sammeln. Die Bewertung der Vertraulichkeit muss vom Mitarbeiter selbst vorgenommen werden. Gerade der Bereich der Beschaffung und Behandlung von Daten und Informationen stellt einen wichtigen Freiraum in der sozialarbeiterischen Tätigkeit dar.

Für die Herstellung von Kindeswohl ist scheinbar die Organisierung über die Doppelstruktur des Jugendamtes die denkbar schlechteste Möglichkeit. Aber was wäre damit gewonnen, wenn diese Doppelstruktur auf zwei Instanzen (eine Hilfeinstanz und eine Eingriffsinstanz) aufgeteilt wäre? Abgesehen davon, dass die Fälle doppelt aufgenommen werden müssten, stünde die leistungsbringende Instanz gegebenenfalls immer noch vor der Frage, löst sie die Probleme auf eigenem Wege oder zeigt sie diese der Eingriffsinstanz an?

Die Umstrukturierung des Jugendamtes hat gezeigt, dass die Entwicklung weg vom Wächteramt weitergeführt wird. Die „Kundenorientierung“ und „Output-Orientierung“ sind Chancen, übertriebenen „Helferaktivismus“ zu reduzieren und das Augenmerk mehr darauf zu legen, was die Adressaten als Hilfen brauchen, akzeptieren und honorieren können. Kindeswohl ist von nun an abhängig davon, wie die Eltern im Rahmen ihrer Freiwilligkeit zu Veränderung ihrer Lebensweise beitragen wollen und wie sie vom Jugendamt darin gefördert werden. Die Eingriffskomponente des Jugendamtes wird dabei in den Hintergrund gedrängt.

Da keine für die praktische Sozialarbeit im Jugendamt verwertbare Konkretisierung des „Kindeswohls“ feststellbar ist, soll mit Hilfe des Begriffs der „Kindeswohlgefährdung“ eine Klärung versucht werden.


 



[1] Friedrich Ortmann: Öffentliche Verwaltung und Sozialarbeit. Lehrbuch zu Strukturen, bürokratischer Aufgabenbewältigung und sozialpädagogischem Handeln der Sozialverwaltung, Weinheim/München 1994, Seite 12

[2] Friedrich Ortmann (1994), Seite 12

[3] Johannes Münder u. a.: Kindeswohl zwischen Jugendämtern und Vormundschaftsgerichten, Berlin 1997 (II), Seite 21

[4] Diese Ausführung mag den Anschein erwecken, dass die Verwaltungsarbeit ein zeitliches Nacheinander von Leistungs- und Eingriffsbehörde ist. Der Doppelcharakter bedeutet aber, dass während der Arbeit immer beide Komponenten wirksam sind, obwohl in der konkreten Arbeit mit einem Klienten die Leistungsgewährung im Vordergrund stehen mag, beim anderen eher die Kontrolle und die Eingriffsoption. Es kann auch sein, dass während einer Fallbearbeitung ein Umschlag von der Leistungsgewährung zum Eingriffsentscheid stattfinden kann (Vergleiche ein Beispiel von Gerda Kasakos: Familienfürsorge zwischen Beratung und Zwang. München 1980); Vielmehr muss immer versucht werden, auch nach einem Eingriff, zum Beispiel mit Fremdunterbringung, die Zusammenarbeit mit den Klienten herzustellen (siehe §36 KJHG).

[5] Obwohl viele Sozialarbeiter das natürlich so wahrnehmen werden. Auch Burkhard Müller betont, dass der bürokratische Anteil der Sozialarbeit nicht abqualifiziert werden dürfte, sondern vielmehr im Sinne des „Falls von“ auch theoretisch in die Sozialarbeit integriert sein muss (siehe Burkhard Müller (1997), Seite 32).

[6] Friedrich Ortmann (1994), Seite 68. Dies könnte eines der Hindernisse kennzeichnen, die Eltern davon abhalten, die nötige Hilfe zu ersuchen, nämlich weil sie oftmals nicht einschätzen können, ob ihnen geholfen werden kann, oder ob sie am Ende ihre Kinder verlieren.

[7] Dies betrifft vor allem die Frage um das „zu frühe“ oder „zu späte“ Eingreifen in Familien. Siehe Goldstein u.a.: Diesseits der Kindeswohls. Frankfurt am Main 1982, Seite 115 ff.  Oder etwa Ullrich Bürger: Stellenwert ambulanter Erziehungshilfen im Vorfeld von Heimerziehung. In Neue Praxis, 3/98, Seite 274-292, der sich in seiner Studie fragt, ob es zu verspäteten Fremdunterbringung kommen kann, wenn zu viel mit ambulanten Hilfen „experimentiert“ wurde (Seite 280). Diese Frage konnte insgesamt verneint werden. So auch Burkhard Müller (1997), Seite 115, der darauf hinweist, dass sozialpädagogische Lösungen blockiert bleiben können, wenn sie gewissermaßen zu direkt angestrebt werden. Es gibt aber auch den Aspekt, den Reinhold Wiesner hervorhebt (In: Helfen mit Risiko: Neuwied 1997, Seite 212 ff). Der Handlungsauftrag der Sozialarbeiter ist durch das KJHG widersprüchlich und der Sozialarbeiter hat, um wirklichen Kindesschutz gewährleisten und wirkungsvoll in die elterlichen Rechte eingreifen zu können, zuwenig Befugnisse (beispielsweise gewaltsam in eine Wohnung einzudringen). Von daher ist er regelrecht angewiesen, andere Möglichkeiten zu entwickeln.

[8] Als präventiv könnte die Tätigkeit des Sozialarbeiters höchstens im Sinne von „Schlimmeres vermeiden“ gesehen werden. So kann auch eine gewaltsame Inobhutnahme, die einen weitgehenden Eingriff in die Lebenswelt des Kindes bedeutet, als Prävention verstanden werden (Zehnter Kinder- und Jugendbericht 1998, Seite 178).

[9] Friedrich Ortmann (1994), Seite 68

[10] Friedrich Ortmann (1994), Seite 61

[11] Friedrich Ortmann (1994), Seite 60 f

[12] Versuche die Kommunikation mit Hilfe von Formularen zu verobjektivieren, dürften nicht der Anforderung dienen, möglichst viele Informationen weiterzugeben. Sie würden vielmehr als weiterer Impulsfilter für die Hilfegewährung wirken.

[13] Schrapper u.a. fragten sich in ihrer 1987 durchgeführten Studie (Christian Schrapper, Dieter Sengling, Wilfred Wickenbrock: Welche Hilfe ist die Richtige? Historische und empirische Studien zur Gestaltung sozialpädagogischer Entscheidungen in Jugendamt. Frankfurt am Main 1987), was die Entscheidungen der Sozialarbeiter im Jugendamt strukturiert. Ihr Augenmerk lag dabei auf der Art und Weise, wie die Sozialarbeiter die Probleme der Familien wahrnehmen und wie sie die Probleme anschließend deuten. Die Wahrnehmung der sozialen Realität und deren entsprechende Deutung gelten den Autoren als Voraussetzung für Entscheidungen. Grundsätzlich stellen sie fest, dass die Wahrnehmung sozialer Realität durch die Jugendamtsmitarbeiter nicht nur von individuellen, lebensgeschichtlichen und persönlichen Faktoren strukturiert wird, sondern in erster Linie von verwaltungsrechtlichen Faktoren. So laufen die Mitarbeiter Gefahr, dass sie die Probleme der Familien von Anfang an „aktenfähig“ beziehungsweise „maßnahmenfähig“ betrachten, siehe Schrapper u.a. (1987), Seite 99. Diese Wahrnehmung ist insofern problematisch, da hier nur solche familiäre Probleme beziehungsweise Probleme der Kinder Einlass in die Überlegungen der Sozialarbeiter finden, welche bereits als solche bekannt und kategorisiert worden sind und für welche der Hilfenkatalog ausgerichtet ist.

[14] Siehe unten Seite 20

[15] Johannes Münder u.a.: Frankfurter LPK-KJHG 1993, § 27 Rz 24 ;siehe auch Coester : Kindeswohl als Rechtsbegriff. Frankfurt am Main 1983, Seite 1; Gerhard Fieseler/ Reinhard Herborth : Recht der Familie und Jugendhilfe. Neuwied, Kiftel, Berlin 4. überarbeitete Auflage 1996, Seite 27; Wolfgang Krieger: Der Allgemeine Sozialdienst. Rechtliche und fachliche Grundlagen für die Praxis des ASD. Weinheim/München 1994, Seite 172 ff; Johannes Münder u.a.: Familien- und Jugendrecht. Eine sozialwissenschaftlich orientierte Darstellung des Rechtes der Sozialisation, Weinheim/Basel 1980, Seite 109

[16] Friedrich Ortmann (1997), Seite 49: Eingrifflegitimierungen müssen immer konditionalprogrammiert sein, Leistungsbewilligungen müssen zumindest zweckprogrammiert sein.

[17] Bei der Suche nach Literatur, in der Kindeswohl nicht nur unter dem Aspekt der Gefährdung behandelt wird, wendete ich mich explorativ auch an Mitarbeiter von Berliner Jugendämtern. So führte ich 1999 mit der Jugendamtsleiterin von Berlin Mitte, deren Behörde damals ganz nach den Richtlinien des KJHG neu aufgebaut worden war, deren Mitarbeiter also kaum mit Altlasten eingefahrener Verwaltungsabläufe belastet waren, ein etwa ein halbstündiges Gespräch. Auf meine Frage, welche amtsinternen Vorschriften es zur Orientierung für Entscheidungen zum Kindeswohl  gäbe oder welche Literatur ihr eine Hilfestellung bei dieser Frage ist, verwies mich die Amtsleiterin auf die „Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Hilfeplanung nach §36 KJHG“ und auf weitere Zeitschriftenartikel, die sich systemisch und methodisch mit den Problemen der Hilfeplanung nach §36 und deren Qualitätssicherung beschäftigen. Das führte zu der Annahme, dass Kindeswohl im Amt nicht als solches problematisiert, sondern nur auf dem Umweg über die Frage, wie man die Familien besser zur Zusammenarbeit bewegen kann, diskutiert wird. Ein weiteres Gespräch mit einer Sozialarbeiterin im Bezirksamt Schöneberg ein Jahr später bestätigte diese Vermutung. Sie konnte mir keine Dienstvorschrift nennen, die Kindeswohl behandelt und konnte mir auch glaubhaft machen, dass Kindeswohl kein Diskussionsstoff unter den Mitarbeitern ist. Wenn das Kindeswohl nach ihrem Ermessen in einem Fall auf dem Spiel steht, würde sie nach weiteren Gefährdungshinweisen suchen. Kindeswohl fände ihrer Erkenntnis nach lediglich in bestimmten Fortbildungsseminaren einen Ort, an dem der Begriff erörtert wird. Ich kann nach diesen Recherchen nicht ausschließen, dass es Jugendämter gibt, in denen Kindeswohl diskutiert wird, aber die Tatsache, dass ich nicht einmal ansatzweise von einer solchen Diskussion erfahren habe, beziehungsweise im Amt und in der Literatur immer auf den Umweg der Zusammenarbeit mit den Eltern verwiesen wurde, lässt mich zu dem Schluss kommen, dass Kindeswohl in einer positiven Formulierung nicht als Entscheidungskriterium für sozialarbeiterisches Handeln entwickelt wird.

[18] Eine Untersuchung der Fortbildungen würde aber den Rahmen der Arbeit sprengen.

[19] Johannes Münder u.a.: Frankfurter LPK-KJHG (1993), § 50 Rz 1-13

[20] Friedrich Ortmann (1994), Seite 199ff

[21] Friedrich Ortmann (1994), Seite 200

[22] Ähnliche Schwierigkeiten in der Konkretisierung bereitet der Begriff „Chancengleichheit“, dessen Herstellung im Zehnten Kinder- und Jungendbericht (1998), Seite 177, als primäre Funktion der Jugendhilfe bezeichnet wird.

[23] Friedrich Ortmann (1994), Seite 203

[24] Friedrich Ortmann (1994), Seite 200

[25] Friedrich Ortmann (1994), Seite 205. Er bezieht sich dabei in der Hauptsache auf Gildemeister und ist sich darüber im Klaren, dass seine Ausführungen in seinem Rahmen oberflächlich und ungenau bleiben müssen. Ohne näher auf das Problem einzugehen, möchte ich aber einigen seiner Überlegungen folgen, welche für den Begriff Kindeswohl bedeutend sind.

[26] Friedrich Ortmann (1994), Seite 205 ff

[27] Friedrich Ortmann (1994), Seite 209

[28] In der Psychoanalyse sind die Betroffenen die Patienten. Das ist nicht nur theoretisch ein Unterschied, sondern auch praktisch: Die Patienten der Psychoanalyse sind nicht nur freiwillig in Behandlung, sondern sie haben ursprünglich auch viel dafür bezahlt und waren schon von daher an einem Erfolg der Therapie interessiert. Siehe Sigmund Freud: Zur Einleitung der Behandlung. Die spezielle Problematik der Gratisbehandlung. In: Studienausgabe Ergänzungsband, Schriften zur Behandlungstechnik. Frankfurt am Main 1982. Hier erörtert Freud wie sich die unbezahlte Behandlung negativ auf die Ergebnisse derselben auswirkt.

[29] Friedrich Ortmann (1994), Seite 212. Hier wird deutlich, dass Ortmann hauptsächlich die Arbeit mit Erwachsenen beziehungsweise den Eltern oder Jugendlichen im Auge hat, für welche dieser Arbeitsansatz mir geeignet erscheint, zumal das KJHG mit dem § 36 (Mitwirkung beim Hilfeplan) dies ausdrücklich vorgibt. Im übrigen wird der Gedanke der Ermöglichung der Zusammenarbeit bei der Auseinandersetzung mit Burkhard Müller (siehe unten Seite 58) wieder aufgegriffen.

[30] Friedrich Ortmann (1994), Seite 212. Befragt man Sozialarbeiter, nehme ich an, gäbe es keinen unter ihnen, der diese Überlegungen nicht unterstützen würde, sondern seine Arbeit im Bewusstsein, zumindest eine gute Zusammenarbeit mit dem Klientel herzustellen, ausführt. Aber jeder Sozialarbeiter könnte auch von Situationen in der Fallentwicklung berichten, wo er diese Ziele verlässt und in der Hauptsache nach Indizien in der Familiensituation sucht, welche dem Kind schaden ; siehe auch Gerda Kasakos (1980), wobei der Sozialarbeiter eher auf der Ebene eines analytisch-empirischen Theorieansatzes arbeitet, welcher den manipulativen Charakter trägt.

[31] Friedrich Ortmann (1994), Seite 215

[32] Friedrich Ortmann (1994), Seite 214

[33] Johannes Münder u.a.: Frankfurter LPK-KJHG 1993 §65 Rz 1

[34] Johannes Münder u.a.: Frankfurter LPK-KJHG 1993 §65 Rz 6

[35] Johannes Münder u.a.: Frankfurter LPK-KJHG 1993 §65 Rz 8

[36] Johannes Münder u.a.: Frankfurter LPK-KJHG 1993 §65 Abs. 2

[37] Christian Schrapper (1997), Seite 7

[38] Viola Harnach-Beck: Zur Diagnostik der Gefährdung. Aufgaben sozialer Arbeit bei Anrufung des Vormundschaftsgerichts, Nachrichtendienst des deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (NDV). 9/1995, Seite 373-378, Seite 375. Diese Erörterung wird auch weiter unten auf Seite 47 im Kapitel zur Diagnose von Gefährdung wieder aufgenommen.

[39] An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass ein solcher Kontaktabbruch nicht unbedingt einen aktiven Missbrauch des Sorgerechtes bedeuten muss. Die Eltern könnten sich anderweitig um Hilfe gekümmert, oder die Gefährdung selbständig abgewehrt haben.

[40] Siehe dazu weiter unten das entsprechende Kapitel über Burkhard Müller (Sozialpädagogisches Können).

[41] Joachim Merchel: Neue Steuerung in der Jugendhilfe: handlungsspezifische Differenzierungen im Kontext pluraler Trägerstrukturen. In: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (NDV), Heft Nr. 7/96, Seite 214

[42] Joachim Merchel NDV 7/96, Seite 213

[43] siehe Outputorientierte Steuerung der Jugendhilfe KGSt 9/1994

[44] Joachim Merchel NDV 7/96, Seite 215

[45] Johannes Münder: Von der Subsidiarität über den Korporatismus zum Markt?, in: Neue Praxis 1998 Heft 1, Seite 3-10

[46] Christian Schrapper (1997), Seite 8

[47] Friedhelm Kron-Klees: Claudia – oder Öffentliche Jugendhilfe als heilsamer Impuls. Ein systemisches Wahrnehmungs- und Handlungskonzept. Dortmund 1994, Seite 14-21

[48] Joachim Merchel NDV 7/96, Seite 217

[49] Joachim Merchel NDV 7/96, Seite 217

[50] Siehe zum Beispiel das sogenannte „Helfer-Syndrom“ bei W. Schmidbauer: Der hilflose Helfer. Über die seelische Problematik der helfenden Berufe. Reinbek 1977, dessen kritisch analytischer Ansatz das Zwanghafte der Helferpersönlichkeit erörtert und bis heute seine Gültigkeit hat.

[51] Siehe Goldstein u.a. unten Seite 38, die die Fachkräfte davor warnen, sich als die „besseren Eltern“ zu verhalten und in Konkurrenz zu den Eltern zu handeln.

[52] Siehe Claudia Sander: Praktische Umsetzung der Klientenrechte in der Jugendhilfe anhand von Jugendhilfeplänen – eine empirische Studie. In: NDV Heft 7/1996, Seite 220-227, die anhand der Analyse von Hilfeplänen feststellen muss, dass Eltern immer noch dazu überredet werden, Hilfen in Anspruch zu nehmen und dass ihnen weiterhin in eher stigmatisierenden Form Erziehungsfehler vorgeworfen werden (Seite 227).

[53] Heinz Hermann Werner (Leiter des Jugendamtes der Stadt Mannheim): Erziehungshilfe nach SGB VIII/KJHG im Spannungsfeld von Recht und Fachlichkeit. In : Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge NDV, Heft 9/1995, Seite 367-372, Seite 370 f

[54] Natürlich gibt es  Auseinandersetzungen über die Richtung in der die Jugendhilfe wirksam werden soll, wie zum Beispiel die Debatte über die Sozialisationsziele in den 70er Jahren der „Offensiven Jugendhilfe“ um die Frage nach „geglückter Sozialisation“. Diese fand im Bundesjugendkuratorium im Herbst 1974 ihren überlieferten Ausdruck in fünf Leitkategorien, welche vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Arbeiten von Erik Erikson, Heinrich Roth und Klaus Mollenhauer formuliert wurden: Autonomie, Kreativität, Produktivität, Sexualität und Soziabilität (siehe C. Wolfgang Müller (1994), Seite 101). Unter dem Schlagwort Autonomie sollte hier verstanden werden, die Kinder und Jugendlichen zu Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung zu befähigen und ihnen dazu die Möglichkeiten schaffen. Die Kreativität steht für das Ziel, den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zur Entwicklung ihrer Phantasie und Spontaneität zu geben. Produktivität steht für das Ziel, dem Kind oder Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, ein leistungsfähiges Mitglied der Gesellschaft zu werden. Das Schlagwort Sexualität impliziert in diesem Zusammenhang die Befähigung zu einer humanen Liebesbeziehung. Und schließlich die Soziabilität beinhaltet die Befähigung zur Kommunikation und Kooperation (siehe Christian Schrapper u.a. (1987), Seite 40). Schon an dieser kleinen Explikation der Leitkategorien erkennt man, dass sie den bestimmten moralischen und ethischen Perspektiven einer modernen, aufgeklärten, demokratischen Gesellschaftsvorstellung entstammen. Sie implizieren, dass jedem Kind die Möglichkeit gegeben werden soll, ein erfolgreiches und anerkanntes Mitglied der Gesellschaft zu werden. Dieser Versuch, gewünschte Sozialisationsziele zu formulieren, kann auch als ein Versuch verstanden werden, das Kindeswohl positiv zu fassen und gleichzeitig die Innovations- und Entwicklungspotentiale der neuen Generation nicht einzuengen, sondern zu fördern. Aber diese Sozialisationsziele sind zugleich auch zu allgemein, als dass sie im Einzelfall für den Sozialarbeiter handlungsleitend sein könnten. Das gleiche gilt für Herstellung der Chancengleichheit der Kinder, wie es als grundsätzliche Funktion des Jugendamtes im Zehnten Kinder- und Jugendbericht (Seite 177) formuliert wurde.

 

 
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