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Thesenpapier zur mündlichen Vordiplomprüfung am 5.10.1993
Prüfer: Professor Scholtz
Geprüfte: Tatjana Lausch

 

Prüfungsthema:

Ansprüche an den Erzieher und an die Gesellschaftsreform im 18. Jahrhundert am Beispiel von Christian Gotthilf Salzmann

Um die Neuerungen des Pfarrers und Religionslehrers Salzmann (1744-1811) deutlich zu machen, müssen zunächst seine Kritikpunkte an der damaligen institutionellen Organisation und Praxis des Religionsunterrichtes erläutert werden:

• Der Unterrichtsstoff besteht aus unverrückbaren kirchlichen Dogmen.

• Daher ist die Unterrichtsmethode auf das Auswendiglernen von Bibelstellen, Sprüchen und Gebeten beschränkt. Für Kinder muß der Inhalt unverständlich bleiben. Bei den Examina werden im engeren Sinn keine Fragen gestellt, sondern es werden vergleichbar mit einer Dressur vorgegebene Antworten wiedergegeben.

• Die Lehrer sind entweder gar nicht oder verfehlt für die Arbeit mit Kindern und deren Lebensbedingungen ausgebildet. Einstellungskriterien sind Bibelkenntnisse, Stimmgewalt und Orgelfertigkeiten. Meist nehmen sie gezwungenermaßen den Lehrerberuf an. Hinzu kommen charakterliche Fehler, Launen und menschliche Schwächen der Lehrer, die den Unterricht endgültig zu einem Ort der Unlust, des Zwanges, der Schimpfreden und der Schläge werden lassen.

• Über allem steht die mangelnde Kenntnis über die Kinder, die dazu führt, die Schuld an den mißglückten Erziehungsversuchen der verdorbenen Natur der Kinder zuzuschreiben.

Dieser praktizierte Unterricht impliziert in erster Linie die Weitergabe einer statischen Religionslehre. Salzmann hingegen hat die Ausbildung der Kinder zu Menschen mit "religiöser Gesinnung" zum Ziel. Damit wird der Weg für einen gewissen Säkularisationsprozeß eröffnet, da Salzmann in seinem Ethikunterricht die ersten Jahre auf konfessionelle Besonderheiten verzichten kann.

Ohne hier näher auf seinen Gottesbegriff einzugehen, versteht Salzmann Menschen mit dieser Gesinnung als welche, die die "rechte Ansicht" von den Dingen haben und Gott verehren durch die Veredelung ihrer selbst. Der Anspruch an die Menschen lautet: Erziehe dich selbst (in der rechten Ansicht der Werte).

Für den Erzieher im Besonderen bedeutet dies nach Salzmanns Symbolon: Von allen Fehlern und Untugenden seiner Zöglinge muß der Erzieher den Grund in sich selbst suchen.

 

Den Kindern ist solch ein Selbsterziehungsprozeß zunächst nicht zuzumuten, da sie noch keine Einsicht in die Notwendigkeit besitzen. Andererseits konstatiert Salzmann eine natürliche Abneigung gegen Verbote und den besonderen Reiz des Verbotenen. Von daher soll das Kind durch Vorbilder in seiner Umgebung (vor allem dem Lehrer) und in Erzählungen an das gute gewöhnt werden. In der Betrachtung der Natur und seiner Bedingungen soll es die guten Werke Gottes spüren und so zu den rechten Ansichten der Werte gelangen. Erst wenn das Kind in seinen Ansichten über gut und böse gefestigt ist, können ihm Verbote oder Gebote vernünftig verständlich gemacht werden und es wird sie mit ganzem Herzen unterstützen. Auf diesem Weg erzieht Salzmann die Kinder nicht zu widerwilligem Gehorsam, sondern zu Stützen der Gesellschaft. Diese Konzeption machte seine Erziehungsanstalt in Schnepfental so erfolgreich. In der Rezeptionsgeschichte wird Salzmann aus diesem Grund als der bedeutendste Praktiker unter den Philantropisten bezeichnet (Helmut König).

 

 
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