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Der Begriff Subsidiarität und seine Geschichte in der deutschen Jugendhilfe

 von Ester Hauke und Tatjana Lausch     

Ester Hauke:

1. Definition "Subsidiarität"

2. Subsidiaritätspolitik in der Weimarer Republik

3. Der "Subsidiaritätsstreit" der sechsziger Jahre

4. Neokorporatistische Strukturen in der Sozialpolitik

Ende

Tatjana Lausch:

5. Strukturelle Krisen der Wohlfahrtsverbände heute

6. Krise und Entwicklung durch die sogenannten Selbsthifegruppen

7. Entwicklung nach der deutschen Vereinigung

8. Entwicklungen unter dem Kinder- und Jugendhilfegesetz

9. Zusammenfassung

Ester Hauke

1. Definition "Subsidiarität"

Der Begriff Subsidiarität beschreibt im Bereich der sozialen Arbeit das Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Er bezieht sich auf die "Nachrangigkeit" der öffentlichen Träger; diese übernehmen soziale Aufgaben erst dann, wenn der Bedarf nicht durch freie Träger gedeckt werden kann.

Die Ursprünge des Begriffs liegen zum einen in der bürgerlichen liberalen Gesellschaftsauffassung des neunzehnten Jahrhunderts. Die Verantwortung für die eigene Existenz liegt beim Individuum selbst. Eine übergeordnete Gemeinschaft - Gemeinde oder Staat - sollte nur in Ausnahmefällen eingreifen, wenn die eigenen Mittel oder die der Familie nicht ausreichen. In diesem Sinne ist Subsidiarität zu verstehen als Organisation sozialen Handelns auf der Linie Individuum - Familie - Gemeinde - Staat.

Der zweite Ursprung des Begriffs stammt aus der katholischen Soziallehre. In der Enzyklika "Quadragesimo anno" von 1931 werden zum einen Eingriffe der übergeordneten Gemeinschaft abgewehrt, zum anderen aber auch der Anspruch des Einzelnen auf Unterstützung durch die übergeordnete Gemeinschaft betont.

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2. Subsidiaritätspolitik in der Weimarer Republik

Der erste Weltkrieg brachte eine Grundlegende Veränderung in das System der deutschen Wohlfahrtspflege. Lag diese zuvor in der Verantwortung einer Vielzahl lokaler bürgerlicher Vereine, so gab es nun erstmals staatliche Interventionen im Bereich der Wohlfahrtspflege. Die Kriegswohlfahrtspflege wurde partiell unter staatliche Aufsicht gestellt. Die beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände wehrten sich gegen diese staatlichen Maßnahmen.

In der Weimarer Republik wurde das Verhältnis von Staat und Wohlfahrtsverbänden erstmals gesetzlich geregelt.

Bereits in dieser Zeit wurde das Subsidiaritätsprinzip als "Kampfformel" eingesetzt. Die konfessionellen Verbände sahen in der Sozialdemokratie ihren Gegner. Deren wohlfahrtspolitische Konzepte - Stichworte sind Kommunalisierung und Entkonfessionalisierung der Wohlfahrtspflege - galt es abzuwehren. Das Reichsarbeitsministerium, das der Zentrumspartei unterstand, unterstützte die Politik der Verbände.

Das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 regelte die Zusammenarbeit von öffentlichen und freien Trägern in der Jugendfürsorge. Die Wohlfahrtsverbände wurden vom Reichsarbeitsministerium subventioniert; Spitzenvertreter der Verbände wurden in die Entwicklung und Formulierung der Politik des Ministeriums einbezogen.

In der Reichsfürsorgeverordnung von 1924 wurden die damaligen sieben Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege gesetzlich anerkannt und es wurden ihnen bestimmte Rechte eingeräumt.

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3. Der "Subsidiaritätsstreit" der sechsziger Jahre

1961 wurden das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) verabschiedet. Diese verstärkten die Vorrangstellung der Wohlfahrtsverbände; die sogenannte "Funktionssperre" wurde eingeführt. Sie besagte, daß die staatliche Sozial- und Jugendhilfe nicht nur dann nicht eingreifen darf, wo bereits Einrichtungen der freien Wohlfahrtsverbände bestehen, sondern auch dort, wo diese erst geschaffen werden können. (§)§ BSHG bzw. §5 JWG)

An diesen Formulierungen entzündete sich der Konflikt zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und den Oppositionsparteien SPD und FDP. Die Opposition war der Meinung, daß durch diese Formulierungen die Autonomie der Kommunen unzulässig eingeschränkt würde. Vier Städte und vier Bundesländer legten in mehreren Verfahren Verfassungsbeschwerde ein.

Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1967 wurde die Auseinandersetzung mit hoher Intensität sowohl auf rechtlicher wie publizistischer Ebene weitergeführt.

Die konfessionellen Wohlfahrtsverbände waren bestrebt, ihre frühere Stellung im Bereich der Jugendhilfe zu stabilisieren. Außerdem ging es ihnen darum, die Stellung der Kirchen gegen wachsende Säkularisierungstendenzen zu verteidigen.

Das ursprünglich sehr abstrakt formulierte Subsidiaritätsprinzip wurde als Mittel zur Durchsetzung der Interessen der Verbände instrumentalisiert.

Die faktische Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips für die Regulierung des Verhältnisses zwischen freien und öffentlichen Trägern nahm jedoch allmählich ab. Dies deutet sich auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1967 an. Das Urteil bestätigte zwar die umstrittenen Formulierungen, es weist jedoch in Richtung einer Änderung des Verhältnisses von Staat und Verbänden. Das Urteil betont, daß die Zusammenarbeit von öffentlichen und freien Trägern vor allem aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit geboten sei; es basiert also auf einem "säkularisierten" Subsidiaritätsprinzip.

In den nächsten Jahren nahm der Anteil öffentlicher Einrichtungen zu. Die freien Träger wurden zunehmend in die Planung einbezogen. Der Autonomiespielraum der freien Träger wurde durch die Vorgabe baurechtlicher, personeller und konzeptioneller Standards eingeengt.

Das Verhältnis von Staat und den Verbänden entwickelte sich zu einem komplexen Kooperationszusammenhang, der durch vielfältige Verflechtungen auf den unterschiedlichsten Ebenen gekennzeichnet ist.

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4. Neokorporatistische Strukturen in der Sozialpolitik

Die neokorporatistische Einbindung der Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege in die Sozialpolitik weist einige besondere Merkmale auf. Im Gegensatz zu anderen Interessenverbänden, wie beispielsweise Gewerkschaften oder Unternehmensverbänden, sind die Verflechtungen von Staat und Wohlfahrtsverbänden dauerhaft. Stabile Austauschbeziehungen sind wichtig, da beide Seiten von einander abhängig sind.

Die Partizipation der Verbände erstreckt sich nicht nur auf die Politikformulierung, sondern vor allem auf die Umsetzung öffentlicher Maßnahmen und Programme.

Hierbei wird eine weitere Besonderheit der Wohlfahrtsverbände im Unterschied zu anderen Interessenvertretungen deutlich. Die Mitgliedschaft der Verbände besteht nicht aus dem Klientel, also aus Behinderten, alten Menschen und Jugendlichen. Die Betroffenen haben kaum die Möglichkeit, auf die Verbandspolitik Einfluß zu nehmen.

Die Artikulation von Mitgliedschaftsinteressen wird durch die korporativen Mitglieder, also die Anbieter von Diensten und Einrichtungen dominiert. Die Interessen der unterschiedlichen Klientengruppen finden hier nur insoweit Berücksichtigung, als sie Ressourcenforderungen begründen helfen.

Diese Struktureigenschaften wirken sich auch auf die Verpflichtungsbeziehungen zwischen den Verbandsspitzen und der Basis aus. Die regionalen Einrichtungen sind rechtlich und Wirtschaftlich selbständig; eine direkte Weisungsbefugnis von oben nach unten besteht nicht. Statt dessen soll die Mitgliedschaftsbasis durch den Verweis aus gemeinsame kulturelle Werthaltungen und Grundüberzeugungen integriert werden.

Weder zwischen den einzelnen Verbänden noch zwischen Verbänden und Staat bestehen grundlegende Konfliktverhältnisse. Die Verbände konkurrieren zwar untereinander um den Zugang zu den Ressourcen, bei der Verfolgung ihrer Interessen sind sie aber angewiesen auf die Austauschbeziehungen zu den anderen Verbänden sowie zu den öffentlichen Trägern. Der Ressourcenfluß kann nur unter der Bedingung stabilisiert werden, daß zwischen den Verbänden Koalitionen gebildet werden. Offen ausgetragene Konflikte zum Beispiel über ausgehandelte Politikresultate sind aber kaum zu erwarten. Der Staat nutzt die Ressourcen und den Sachverstand der Wohlfahrtsverbände und beteiligt sie im Gegenzug an der Formulierung und Umsetzung sozialpolitischer Programme und Maßnahmen.

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Tatjana Lausch:

5. Strukturelle Krisen der Wohlfahrtsverbände heute

Die freien Wohlfahrtsverbände erfuhren in den folgenden Jahren, durch die enge Verflechtung mit öffentlichen Trägern und die Beteiligung an politischen und inhaltlichen Planungen der Jugendhilfe, einen enormen Aufschwung. So konnten sehr viel mehr Einrichtungen gegründet und ausgebaut werden, als die Wohlfahrtsverbände es aus eigener Kraft hätten erreichen können. Außerdem wurden die Aufgaben und Bereiche, in denen die Wohlfahrtsverbände tätig wurden, vielfältiger. Backhaus-Maul und Olk sehen allerdings, daß die Wohlfahrtsverbände paradoxer Weise gerade an diesem Erfolg zugrunde zu gehen drohen und eine Umorientierung und Umstrukturierung des "korporatistischen Kartells", wie es die Autoren nennen, notwendig wird.

Es sind zunächst zweierlei Entwicklungen zu benennen, die parallel mit dem Wachstum der Wohlfahrtsverbände abliefen. Erstens die Professionalisierung der Tätigkeiten in den Verbänden und zweitens die Entkonfessionalisierung der Verbände selbst. Beide Entwicklungen sind eng miteinander verflochten.

Die Wohlfahrtsverbände zogen ursprünglich ihre Ressourcen aus der ehrenamtlichen Mitarbeit von engagierten Mitgliedern aus ihren Reihen sowie aus dem überdurchschnittlichen Engagement ihres Personals, das aufgrund seiner konfessionellen Gebundenheit und daraus erwachsenen Ansprüchen zur besonderen Hingabe an das Klientel verpflichtet war. Diese Ressourcen machte sich die öffentliche Hand im korporatistischen Kartell für die Aufgaben in der Jugendhilfe zunutze und förderte diese auf der anderen Seite. Der Korporatismus bewirkte allerdings, daß die Wohlfahrtsverbände in stärkerem Maße wuchsen als sie die Anzahl der ehrenamtlichen Helfer sowie Spenden und Beiträge steigern konnten. Andererseits wurden die Einrichtungen und Dienste durch Vorgaben der öffentlichen Hand eingeengt. Das heißt, der Anteil und die Möglichkeiten von Eigeninitiative wurden eingeschränkt, indem die Tätigkeiten und Angebote vereinheitlicht wurden. Dieses hatte zur Folge, daß die Bindungskräfte der Wohlfahrtsverbände nachließen und Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und Bindung ehrenamtlicher Mitarbeiter auftraten.

Die Schere zwischen dem Anspruch der Wohlfahrtsverbände, flexibel und Klientennah zu helfen, und den faktischen Handlungsmöglichkeiten öffnet sich immer mehr. Außerdem wurden die Wohlfahrtsverbände von den Zuwendungen der öffentlichen Träger immer abhängiger, was eine völlig andere Qualität von Zuwendung beinhaltet, als es die Abhängigkeit von privaten Spendern jemals bedeutet hatte.

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6. Krise und Entwicklung durch die sogenannten Selbsthifegruppen

Ein weiterer zentraler Entwicklungstrend, der sich nachteilig auf bislang selbstverständliche Privilegien und Zuständigkeiten der verbandlichen Wohlfahrtspflege auswirkt, ist mit der Entstehung und Verbreitung selbstorganisierter Initiativen und Selbsthilfegruppen in den siebziger und achtziger Jahren vollzogen worden. Zum einen kommen diese Gruppen aus dem informellen Bereich der Gesellschaft und haben gleichsam die selben Wurzeln, aus denen ursprünglich die großen Wohlfahrtsverbände entstanden waren. Sie genießen von daher einen Vertrauensvorschuß bei ihrer Klientel. Außerdem werden die Wohlfahrtsverbände allein durch die Existenz der Gruppen und Initiativen im Bewußtsein der Klientel in die Nähe des Staates gerückt, was wiederum zu einem Imageverlust der Wohlfahrtsverbände führt.

Zum anderen wird durch die Initiativen und Gruppen deutlich, daß die Wohlfahrtsverbände als Organisation der helfend Tätigen die Interessen der Klientel nur indirekt zur Legitimation ihrer Ansprüche den öffentlichen Trägern gegenüber berücksichtigen. Die Initiativen und Gruppen sind also ein Ausdruck für Unzufriedenheit mit den bestehenden Hilfsangeboten bei den Betroffenen und des Bestrebens die eigenen Belange selbst in die Hand zu nehmen. Als Alternative zu den etablierten Wohlfahrtsverbänden kritisieren die kleinen solidarisch organisierten Gruppen das Wohlfahrtskartell sowohl praktisch als auch propagandistisch und üben einen verstärkten Legitimationsdruck auf dieses aus.

Neben der Kritik vervielfältigte sich die Einrichtungs- und Hilfelandschaft für die Klientel. Allein der Paritätische Wohlfahrtsverband reagierte positiv auf diese Entwicklung, indem er sich als Dachverband für all die kleinen Initiativen und Projekte zur Verfügung stellte. Der Paritätische erwies sich als nützlich, die bürokratischen Tätigkeiten, wie Personalabrechnungen und Besoldungsverhandlungen, den kleinen Trägern abzunehmen.

Inzwischen wird auch die Selbsthilfe in kleinen Trägern politisch anerkannt und staatlich unterstützt, was zur Vielfalt der Angebote beiträgt, und den Status einer "neuen Trägersäule" innehat.

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7. Entwicklung nach der deutschen Vereinigung

Der Aufbau der Wohlfahrtsverbände in den neuen Bundesländern wurde in Form eines Institutionentransfers inklusive den rechtlichen Grundlagen, den staatlichen Förderungsprogrammen und den ordnungspolitischen Vorstellungen von Seiten der Wohlfahrtsverbände und der Bundesregierung vorgenommen. Man versprach sich mit der Übertragung des "bewährten" Institutionensystems eine reibungslose Wahrnehmung der sozialen Aufgaben. Nach Artikel 15 des Einigungsvertrages organisierten zunächst der Bund mit Hilfe der Spitzenverbände die Jugendhilfe, so daß andere freie Träger wie private Anbieter und verbandsunabhängige Vereine und Initiativen unberücksichtigt blieben. Hier wurde also ein Subsidiaritätsprinzip in einer traditionellen verbandszentrierten Variante etabliert und die Organisations- und Leistungsstruktur der Wohlfahrtsverbände gefördert.

Am Beispiel von Sachsen kann auf Länderebene drei verschiedene Phasen der Orientierung beim Aufbau der Wohlfahrt ausmachen. Zunächst orientierte man sich bei der Förderung von Trägern am traditionellen Subsidiaritätsverständnis der Weimarer Republik und bevorzugte die konfessionellen Verbände. Später wurde die Förderung auf alle verbandlichen Träger ausgeweitet mit der Maßgabe, nur diese würden für genügend Sicherheit bieten und dem Vertrauen entsprechen. Es sollte nur zur Vermeidung von Mißproportionen und zur Setzung von Fachstandards eingegriffen werden. Zuletzt wandte man sich unter dem Spardruck auch an private Träger (vor allem Altenheime) in der Hoffnung, daß diese kostengünstiger und wirtschaftlicher die entsprechenden Leistungen bieten können. So werden zur Zeit öffentliche Aufgaben geradezu an freie Träger abgegeben, um die staatlichen Haushalte zu entlasten. Dies entspricht nicht mehr einem normativen Subsidiaritätsverständnis.

Diese spezifische öffentliche Förderungspolitik und der Hintergrund, daß die Wohlfahrtsverbände in den neuen Bundesländern nicht auf "Gratisressourcen" in Form von freiwilliger Unterstützung und sozialer Akzeptanz in der Bevölkerung zurückgreifen können, nötigt den Wohlfahrtsverbänden einen "Lernprozeß im Zeitraffer" auf. Die Wohlfahrtsverbände werden von vorneherein nach den Typ der "verschlankten", vorwiegend an Kostendeckung und Leistungsfähigkeit orientierten Dienstleistung aufgebaut. Dies bedeutet wirtschaftlich sicherlich einen Vorteil gegenüber den Verbänden, die in den alten Bundesländern tätig sind.

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8. Entwicklungen unter dem Kinder- und Jugendhilfegesetz

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz, das am 3. Oktober 1990 beziehungsweise am 1. Januar 1991 in den alten Bundesländern in Kraft trat, zielt auf verstärkte Professionalisierung, Dezentralisierung von Entscheidungskompetenzen und Erweiterung des Spektrums freier, nicht-gewerblicher Träger in der Kinder- und Jugendhilfe. Initiativen, Vereine und Projekte sind den Verbänden gesetzlich gleichgestellt. Auch kleine Vereine haben die Möglichkeit, sich an die regionalen Jugendhilfeausschüsse zu wenden, um eine dauerhafte Förderung zu erhalten. Eine dreijährige anerkannte Tätigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe in der Rechtsform eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins sind Indikatoren für dauerhafte Leistungen und Vertrauenswürdigkeit des Trägers. Außerdem können noch nicht anerkannte Träger befristet öffentlich gefördert werden, um die Anerkennung zu erreichen. Die Förderung ist vom Angebot des Trägers und dem regionalen Bedarf sowie den Versorgungslücken, die der Jugendhilfeausschuß feststellt, als auch den finanziellen Mitteln der Kommune abhängig. Außerdem ist es auch nicht verbandlich organisierten Trägern möglich, sich an der Formulierung der regionalen, politischen Zielsetzungen zu beteiligen. So forciert das Kinder- und Jugendhilfegesetz die Pluralisierung der Trägerlandschaft im Sozialbereich.

Bis auf wenige hoheitliche Aufgaben werden mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz leistungsfähige freie Träger mit öffentlichen Aufgaben beauftragt. Mit diesem "contracting out" wird ein Vertragsverhältnis entwickelt zwischen Staat und freien Trägern, in dessen Mittelpunkt Wirtschaftlichkeits- und Qualitätstandards stehen. Die Nachrangigkeit des Staates wird zu einer Entlastung des Staates und die ursprünglich subsidiäre, eigenverantwortliche kleinere Einheit wird sich nach professionellen Standards reckend der Konkurrenz untereinander ausgesetzt.

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9. Zusammenfassung

Der Begriff Subsidiarität hat in den wenigen Jahrzehnten seiner Existenz bereits viele Veränderungen erfahren. Zu Beginn war er ein Begriff idealistischer, bürgerlicher Gesellschaftsauffassung und eine Handlungsmaxime, vergleichbar mit dem Begriff Freiheit. Später wurde er als Kampfformel gegen linke Politik und staatliche Eingriffe verwendet. Dann diente er als Argumentationshilfe zur Sicherung von Ressourcen bei der Auseinandersetzung um den Topf der öffentlichen Gelder. Nun wird er wiederum abgeändert, um dem Staat die Möglichkeit zu geben, öffentliche Aufgaben abzugeben. Das Verhältnis von Individuum und Staat, das der Begriff Subsidiarität ursprünglich beschreiben sollte, erscheint bei seiner heutigen Verwendung nicht mehr. Er scheint zum Spielball bürokratischer und verbandstechnischer Interessen um Ressourcen und Privilegien geworden zu sein.

Die letzten Entwicklungen scheinen jedoch die verkrusteten neokorporatistischen Strategien zu deregulieren und zu zersetzen. Allerdings ist es fraglich, ob eine Pluralisierung der Träger automatisch eine Verbesserung der Kinder- und Jugendarbeit zur folge hat.

   

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